“Twilight” 07
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Gegen Mittag erwachte Shan von leisem Grummeln, das er eindeutig als Magenknurren identifizierte. Es kam von vor ihm und von hinter ihm, denn er lag zwischen Ronin und Gwaight. Ronin schlief noch, das hörte man an dem gleichmäßigen Atmen, aber Gwaight war eindeutig schon wach und so blickte der Asiate in das lächelnde Gesicht des Blauäugigen. "Kann es sein, daß es Mittag ist ?"
"Jep ... aber wir können ruhig noch ein wenig liegenbleiben. Ich werde nur kurz ins Bad verschwinden, mich drückt grad was. Du kannst ja noch ein wenig kuscheln, ich bin gleich wieder da." Dann küßte er Shan sanft auf die Stirn und stand vorsichtig auf, ging ins Bad und erleichterte dort mit einem leisen Seufzen seine Blase. Gambit hatte bis jetzt gewartet, da er den Anblick der beiden Schlafenden einfach viel zu sehr genoß ... etwas, das er eigentlich nicht erwartet hätte, als er damals Shan kennenlernte, denn durch ihn bemerkte er, wie sehr er es mochte, ihn beim friedlichen Schlafen zu beobachten. Und jetzt gab es noch Ronin – und das wiederum steigerte seinen Genuß noch, so daß er leise bei dem Gedanken schmunzelte.
Shan drehte sich in der Zwischenzeit zu Ronin und rückte etwas dichter an ihm heran. Dabei erwachte der Silberhaarige und legte seine Arme um den schlanken Leib des Asiaten. "Na, Katerchen ... noch ein wenig kuscheln ?" Shan nickte und schnurrte gespielt.
Als Gwaight zurückkam und das hörte, lachte er leise und legte sich wieder zu den Beiden, streichelte über Shans Rücken zu Ronin und packte für einen Moment dessen festen Hintern. "Guten Morgen ... sieht so aus, als ob unser Katerchen sich wohlfühlt. Ich denke, wir sollten uns was Gutes zu Mittag kochen und dann die Karte studieren, wie wir am Besten fahren ? Jetzt können wir ja die Highways nehmen und müssen uns nicht an die Wälder halten, auch wenn uns da Niemand entdecken konnte. Jetzt geht es schneller und wir könnten in einigen Wochen schon an der Küste sein."
"Gute Idee, ich hab schon wieder Hunger. Und ich denke, daß wir nicht länger als zwei Wochen brauchen. Eher weniger, es kommt drauf an, wie wir fahren und wie wir durchfahren können. Allerdings müssen wir einige Städte meiden - dort sind Mentale, die merken, wenn Mutanten in die Stadt kommen." Aber Ronin wusste auch, in welchen Städten das der Fall war. "Washington ist total mutantenfrei, sie haben alle aufgespürt."
Und das wiederum sorgte dafür, daß Gwaight dunkel aufknurrte und seine Augen für einen Moment blau aufflammten, ehe er sich wieder beherrschte. "Diese Arschlöcher ... Okay, dann müssen wir den Weg gut planen. Du hilfst uns, die überwachten Städte in die Karte einzutragen und wir planen dann die sicherste Route. Auch wenn sie ein wenig länger dauert, ich will mich nicht mit den Arschlöchern und den Mechas rumschlagen müssen."
"Frag mal." murmelte Ronin und er setzte sich langsam auf. Auch Shan setzte sich auf und stand auch auf, um ins Bad zu huschen. "Ich werde alle Städte markieren, nach dem Mittag machen wir uns an die Arbeit." Er stand auf, als Shan aus dem Bad kam, und ging hinein. "Was möchtest du essen ? Wir haben noch Frisches da." Der Asiate fragte Gwaight und zog sich eine Hose über, bevor er an die kleine Küchentheke ging.
Mittlerweile hatte auch der Feuerformer sich einen frischen Slip und eine Jeans angezogen, kam zu dem Schlankeren und umarmte ihn von hinten, zog ihn sanft an sich und schnupperte kurz an dem frischgewaschenen Haar, ehe er leise zu ihm sprach. "Also für mich braucht es nichts Kompliziertes ... Steak mit Salat oder Ei reicht völlig. Was Ronin will, weiß ich nicht, aber für mich reicht das."
"Ich nehme, was da ist." kam es aus dem Bad und Shan lachte leise. "Ich denke, ich verbrate, was wir noch an Frischem da haben. Später müssen wir noch einkaufen, oder wir gehen was essen." Also machte Shan sich an die Arbeit und verarbeitete die Reste, die sie noch hatten. Die Steaks für die Großen und er kochte für sich Reis und machte sich einen Eierreis. Nebenher schnitzelte er noch Salat, und Ronin, der auch schon aus dem Bad gekommen war, sah ihm lächelnd zu. Irgendwie waren sie jetzt wie eine kleine Familie. "Gib mal die Karte, ich zeichne die Städte ein, während das Essen kocht."
Gambit nickte nur und holte sie aus der Laptoptasche, gab sie dem Silberhaarigen und nahm einen der Kulis heraus, den er ihm ebenfalls reichte. "Das ist ne gute Idee – dann sehen wir auch, wann die nächste Stadt kommt, in der wir einkaufen und essen gehen können. Gut, daß du weißt, welche Städte das sind ... wir wären denen sicherlich irgendwann mal voll reingerasselt." Während er sprach, kam der Feuerformer ebenfalls zum Tisch und lehnte sich über die Schulter Ronins, der sich auf einen Stuhl gesetzt und die Karte auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Gerade im Moment fühlte er sich pudelwohl, denn Shan war selig am Kochen und auch Ronin war ruhig und lächelte, sie mußten sich keine Sorgen um Verfolger machen und konnten auch schneller und sicherer vorankommen.
Ronin strich so einige Städte an und alle lagen um Washington herum, selbst New York war einbezogen. "In New York sind viele von denen, die säubern es gerade. Leider müssen wir dorthin. Oder in die Nähe." Es war wirklich verzwickt.
"Hm ... das ist es wirklich. Vielleicht sollten wir uns wirklich noch ein wenig Zeit lassen – dann haben sie die Meisten schon gefangen und ziehen auch die Psis ab, um sie in anderen Großstädten einzusetzen. In die Stadt zu kommen, ist kein Problem – und auch nicht, unentdeckt zu bleiben, ich weiß nämlich von alten Schmugglerschächten, die unterhalb der U-Bahn liegen. Nämlich die alte U-Bahn, die es vor dem großen Krieg gab, die Militärs kennen sie nicht mehr. Ich aber ... und ich kenne auch die Bandenbosse, die dort unten herrschen. Das Problem ist eigentlich nicht, in New York nicht entdeckt zu werden – das Problem wird werden, überhaupt reinzukommen, weil die Ärsche gerne die Highways mit den Mechas überwachen. Aber darum kümmern wir uns, wenn wir dort sind, erst einmal müssen wir hinkommen." Die Stimme Gambits spiegelte die Entschlossenheit seiner Züge wieder – gerade in New York würde ihnen seine Vergangenheit gut nutzen, und er hatte auch nicht vor, seine beiden Gefährten zurückzulassen. Notfalls würde er sie mit seinem Leben beschützen – und nun mit Ronin hatten sie wesentlich bessere Chancen, um sich zu wehren.
Den Beiden stand aber erstmal der Mund offen. Sie wussten ja inzwischen, daß Ronin sich auskannte, aber daß er sich so gut auskannte war doch erstaunlich. "Du kennst dich ja noch besser aus, als ich dachte ... warst du schon in New York ?" hakte Shan schließlich nach, denn er war wirklich sehr erstaunt.
Der junge Feuerformer seufzte leise, ehe er sich einige der Ponysträhnen hinterstrich und die beiden Anderen anblickte. "Nicht direkt – ein Mutant, der aus New York geflüchtet ist, kam nach Chicago und gründete in den alten U-Bahnschächten eine Bande aus den jungen Muties, die in den Straßen lebten, genauso wie in New York. Ich war eine Weile in seiner Bande und er erzählte mir von den Möglichkeiten in New York ... er plante, noch einmal zurückzukehren und noch Andere rauszuholen, doch er wurde dann von den Mechas geschnappt und getötet. Seine Gruppe löste sich auf und auch ich habe mich abgesetzt, und zog von einer Stadt zur anderen. Aber ich weiß noch alles, das der mir erzählte und das kann uns allen nutzen."
Wenn Gwaight noch alles wusste, war es großartig. "Das ist super, daß du noch alles weißt, es hilft uns wirklich deutlich weiter. Müssen uns dann nur noch zurecht finden." Aber das würde hoffentlich kein Problem darstellen. "Wegen den Mechas müssen wir uns aber noch Gedanken machen."
"Jep – aber wenn wir unsere Kräfte bündeln, ist es einfacher. Ich kann Feuerkugeln formen, die Mechas schmelzen ... aber ich brauche immer einige Sekunden, um eine neue Kugel zu formen und muß auch immer zielen. Wenn du meine Kugeln lenken kannst, Ronin, dann ist es leichter und wenn wir auch noch getarnt sind, dann schaffen wir sie locker. Wichtiger ist erstmal, daß wir überhaupt hinkommen ... und daß wir zwischendurch wirklich üben." Das war Gambit wichtig – denn je eingespielter sie waren, desto leichter und sicherer wäre es.
"Ich denke, zum Üben haben wir noch genug Zeit, und ich freue mich schon darauf." Ronin war begeistert, denn er war ein Teamplayer. Er hatte er es nie getan, aber er fühlte, daß es so war. "Ich kann es so diesen Arschlöchern heimzahlen, und ich hoffe, daß wir es dann irgendwann schaffen, Mutanten zu befreien." Das war ein Traum, den er hegte, aber sie waren jetzt noch zu jung dafür, das wusste Ronin selber. "Irgendwann bestimmt." stimmte Shan zu und küsste Ronin auf die Wange.
Gwaight sagte dazu nichts ... denn er war Realist genug, um zu wissen, daß es wichtiger war, daß zumindest sie erst einmal in Sicherheit kamen. Sollten sie unterwegs die Möglichkeit haben, Andere zu retten ohne sich in Schwierigkeiten zu bringen, dann wäre er der Letzte, der sich weigerte – doch die Sicherheit seiner zwei Gefährten ging ihm immer vor. "Zuerst sollten wir mal nach New York, Okay ? Das ist das Wichtigste."
"Daß wir das nicht gleich machen, ist mir schon klar. Ich meinte ja ... irgendwann." erwiderte Ronin, um es klarzustellen. So verträumt war er nun auch wieder nicht und er wusste zu gut, daß sie jetzt noch nicht soweit waren. "Erstmal New York, dann Europa und nach China, und dann sehen wir zu, wie es weitergeht."
"Genau." Mehr war nicht zu sagen und Gwaight drückte kurz die Schulter des Silberhaarigen, ehe er den Arm um Shan legte und ihn sanft zu sich zog. "Wenn wir erstmal in deiner Heimat sind und dort auch zu Hause sind, dann können wir uns ja Gedanken über andere Mutanten machen. Und wenn wir auf dem Weg die Gelegenheit haben, ein paar Mutanten aus den Fängen der Jäger zu holen, ohne uns zu gefährden, dann machen wir das. Ich sehe dir doch an der Nasenspitze an, daß es dir ein Anliegen ist, du hast so ein weiches Herz." Und genau wegen diesem weichen Herzen mochte ihn Gambit, auch wenn es ihnen manchmal Probleme bereiten konnte.
"Aber ich weiß auch, daß wir uns dabei nicht gefährden dürfen." wisperte Shan, der auch vernünftig genug war, um das zu verstehen. "Aber jetzt musst du mich loslassen, das Essen ist fertig und brennt sonst an." Der Asiate löste sich aus den haltenden Armen und ging wieder zum Herd, um das Essen auf Teller zu verteilen. "Karte weg und Futter fassen."
Das brachte den jungen Feuerformer wieder zum Lachen und er schüttelte nur amüsiert den Kopf, ehe er die Karte einfach zusammenfaltete, auf das Bett warf und sich breit grinsend über die Schulter Ronins lehnte, um ihm leise ins Ohr zu flüstern. "Ist er nicht einfach nur goldig ?" Die fürsorgliche Art, mit der Shan sie bekochte und sich um ihr Wohl sorgte, war einfach schön – und daß es Gwaight gefiel, sah man ihm deutlich an. Doch es war auch bemerkbar, wie gut es ihm tat, nicht nur einen Gegenpol bei sich zu haben, sondern auch Jemanden, der ähnliche Interessen hatte, denn es gab ihm die Möglichkeit, sich auch endlich ohne Bedenken auszutoben.
"Jap, er ist ein Goldstück." erklärte Ronin und Shan warf ein "Hört auf, sonst werde ich wieder verlegen." in ihr Schwelgen und stellte die Teller auf den Tisch. "Nen Guten." Messer und Gabel folgten und der Asiate setzte sich, um langsam seinen Eierreis zu essen, während sich die Größeren über Fleisch und Gemüse hermachten.
Das fiel Gwaight jedoch auf und er hörte auf zu essen, als er den Reis musterte. "Sag mal, ißt du kein Fleisch ? So wirst du nie wachsen oder stärker werden und ich will nicht, daß du krank wirst, weil du dich nicht richtig ernährst. Immer, wenn wir rasten und die Möglichkeit zu kochen haben, machst du mir Fleisch, aber dir nur Reis."
Shan stocherte gleich nach der Frage ein wenig in seinem Eierreis herum und wusste nicht ganz, was er sagen sollte, und stammelte ein leises "Du brauchst es doch viel dringender ... du beschützt mich die ganze Zeit, und mir reicht der Reis." heraus. "Aber Letztens im Kaufhaus habe ich ja auch welches gegessen." fügte er noch an, um klarzustellen, daß er nicht immer auf Fleisch verzichtete.
Die Antwort überraschte Gwaight sichtlich ... und man sah ihm an, wie sehr sie ihn entsetzte. Ohne weiter zu zögern, schob er ihm seinen Teller hin und nickte ernst darauf. "Iß, Shan. Ich werde ab jetzt darauf achten, daß wir genug Fleisch für uns alle Drei haben – du brauchst es ebenso wie wir. Ich habe Gestern genug gegessen, also iß du es jetzt, ja ? Bitte, Shan."
Shan seufzte leise und schob seinen Teller mit dem Eierreis zu Gwaight herüber. "Ich will nicht, daß du ein schlechtes Gewissen hast. Ich brauche nicht so viel wie ihr zwei und ich werde schnell satt." Er neigte sich zu Gwaight und küsste ihn sanft. Ronin nahm derweil eines seiner Fleischstücke und packte es auf den Eierreis. "So hat Jeder was und es reicht für alle."
"Danke, Silberhaar. Und du hast Recht – so haben wir alle was davon." Es war ein guter Kompromiß und Gwaight langte tüchtig zu, denn er hatte Hunger und der Reis schmeckte ziemlich gut. Während sie aßen, dachte der Blauäugige weiter nach und grübelte schon ein wenig, wie sie am Besten weiterfahren würden, denn die nächste Stadt war laut Karte eine halbe Stunde Fahrt entfernt und sie mußten sich überlegen, wie sie als Nächstes vorgehen würden.
Daß Gwaight grübelte, sah man ihm deutlich an, denn er kaute ziemlich lange auf dem Reis herum und starrte Löcher in die Luft. Ein Anblick, den Shan immer wieder niedlich fand und er störte ihn nicht dabei. Ronin bemerkte das jetzt auch und kuckte etwas verblüfft. "Stör ihn einfach nicht, wenn er so ist ... er grübelt schon wieder." wisperte Shan und der Silberhaarige nickte, lächelte und fing auch an, Gwaight zu beobachten.
Jener bemerkte das aber erst nach einer Weile und blickte ein wenig verwundert auf. Doch dann kam es ihm und er lachte leise, schüttelte den Kopf und begann wieder zu essen, während er nun damit begann, ein wenig mit seinen beiden Gefährten zu reden und zu lachen. Es war schön, wenigstens hier und jetzt nicht auf der Hut sein zu müssen – und das kostete er deutlich sichtbar aus.
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